Was sind gefährliche Hunde?

„Kampfhunde” / ”Gefährliche Hunde” Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Universität Kiel

Gefährliche Hunde

1. Gefährliche Hunde
„Gefährlichen Hunden” liegen höchst unterschiedliche Genesen zugrunde, impliziert sei hier sowohl die Verhaltensontogenese, die durch Phasen ausgeprägter Sensibilität allen Umwelteinflüssen gegenüber gekennzeichnet ist, in denen gerade auch der Umgang mit Sozialpartnern in Konfliktsituationen oder bei Rivalitäten entscheidend „geprägt“ wird, als auch das zum Zeitpunkt eines Übergriffes bestehende soziale Umfeld des Tieres mit allen Besonderheiten seiner Einbindung in dieses. Und letztendlich sind Kenntnisse zum Geschehen, zur schweren Körperverletzung oder gar Tötung eines Menschen oder eines Artgenossen bzw. Fakten darüber, weshalb eine Auseinandersetzung mit einem Sozialpartner, eine Begegnung eskalierte, einfach obligatorisch.
Vorliegende Definition „gefährlicher Hunde“ (wie in den HundeVO einiger Bundesländer praktiziert) sind vielfach stellenweise zu unpräzise und allgemein gehalten, als dass sie im Rahmen zu treffender Maßnahmen nach einem Vorfall (besser noch wäre: im Dienste einer Prävention) von gefährlichen oder extrem belästigenden Zwischenfällen mit Hunden ursächlich „greifen “ könnten.
Es gibt Mensch-Hund-Beziehungen, die Indikatoren einer potentiellen Gefährdung aufweisen, die über das „Restrisiko“ der Haltung eines (großen, sozial expansiven) Hundes hinausgehen. Denn Größe, Kraft, wie auch bestimmte Verhaltensmerkmale eines Hundes sind für das Zusammenleben mit bestimmten Menschen offenbar latent gefährlich. Große Hunde oder Hunde bestimmter Rassezugehörigkeit deshalb zunehmenden Haltungsrestriktionen zu unterwerfen oder sie gar zu verbieten, „aussterben“ lassen zu wollen, ist keine Lösung.
Es geht in aller Regel um bestimmte Mensch-Hund-Beziehungen. Problematische Entwicklungen derselben Hunde verschwinden bei anderen Hundehaltern sofort, wie in etlichen Fällen zu belegen war. Es ist bekannt, dass es gerade Hunde sind, die bereits ein¬oder zweimal auffällig wurden, denen z.B. ein Leinenzwang verordnet wurde, die dennoch schwere Verletzungen (z.T. mit Todesfolge) verursachten.
Die Beziehungsschiene Mensch/Hund ist von ganz entscheidender Bedeutung. Denn Hunde kooperieren und konkurrieren mit ganz bestimmten Menschen in ganz besonderer Weise. Das ist canidentypisch. Ein Ausgleich zu dieser häufig ambivalenten Situation wird von bestimmten Menschen nicht verstanden oder so manipuliert, dass sich inadäquates Aggressionsverhalten ihres Hundes entwickeln muss. Ausserdem ist die Stimmungsübertragung Mensch/Hund nicht zu vernachlässigen.
Der Ansatz bei bestimmten Haltern, das Erkennen von Gefahrenmomenten am Beziehungsgeflecht Mensch/Hund wird oft unterschätzt bzw. es unterbleibt ganz. Es sind, wie auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen, individuelle Mensch-Hund-Beziehungen, die den ersteren zur Gefährdung seiner Umwelt werden lassen. (Lockwood, 1995).
Gefährliche Hunde sind stets individuell zu benennen, eine häufige Genese ist die der sozialen Deprivation. Soziale Unsicherheit und Angst begleiten das gesamte Hundeleben, wenn die
Jugendentwicklung in „Hundefabriken“ ohne ausreichende Sozialisation an Artgenossen und Menschen erfolgte.
Restriktiv in Zwingern aufgewachsene Hunde werden stets „Schwierige“, oftmals bissige Hunde. Es besteht – zumal in der Jugendentwicklung eines Hundes (sensible Phasen, in denen besonders einprägsam gelernt wird!) eine innige Wechselwirkung von Umwelt und Erbgut, die den späteren Hund „formt“.
So wird die Art und Weise, Konflikte zu lösen in dieser Zeit geübt, im spielerischen Kontext. Isoliert oder reizarm aufgezogene Hunde zeigen häufig situativ unangemessenes, übersteigertes Angriffs- wie Abwehrverhalten, wodurch erhebliche Gefahrenmomente geschaffen werden. Dieses geschieht am häufigsten aus sozialer Unsicherheit und Angst.
Beispiel: Dogge, eingesperrt in dunkle Schweineställe, in Gitterkäfige mit verdrecktem Betonboden ohne Schlafplatz, diese menschenbezogenen Hunde ausgesperrt aus allen sozialen Bezügen, diese lauffreudigen Tiere ohne Bewegungsfreiheit, mager und frierend und psychisch fast zerbrochen, das sind keine Horrorbilder aus Süd- oder Osteuropa, das ist Wirklichkeit z.B.im nördlichen Brandenburg, so der Bericht einer Gruppe, die sich der Tiere annimmt und ihr Schreiben an mich wie folgt schliesst:“ Auch die Amtstierärzte sind rat- und machtlos, sie hören sich die vollmundigen Erklärungen der Hundebesitzer an, dass die Hunde ja jeweils nur kurz in den Käfigen sitzen – und verlassen die Gehöfte wieder…“. Der gesetzliche Vollzug ist, wie immer wieder beklagt wird, sehr oft unzureichend.
Hunde, die im Junghundalter eine Rangeinweisung entbehrten, vielmehr vermenschlicht und verwöhnt wurden, neigen zu gestörtem Dominanzverhalten gegenüber Menschen und Artgenossen. Ein Gefahrenpotential bilden also Hunde mit hohem sozialen Status in ihrer Familie. Bei großen Hunden ist so eine freie hierarchische Position hochgefährlich für alle Familienmitglieder.
Unzureichende Auslastung von Hunden, deren Haltung ihren Rassebesonderheiten nicht ausreichend Rechnung trägt, kann zu Verhaltensfehlentwicklungen aufgrund inadäquater, immer gleicher Umgebung (Reizarmut) führen und in „plötzliche“ Attacken und Ernstkämpfe umschlagen.

Fallbeispiele
Folgende Fallbeispiele, die von mir im Zuge forensischer Gutachtertätigkeit analysiert wurden, zeigen, kurz dargestellt und zur Bestimmung der Häufigkeit ihres Vorkommens vorsichtig kategorisiert, dass Beisszwischenfälle sehr vielschichtig und im familiären Beziehungsgeflecht verursacht sind. Hunde, die auf sogenannte Hyperaggressivität gezüchtet oder einer Aggressionsdressur unterworfen wurden, spielten in den jährlich ca. 30 zu begutachtenden Fällen der letzten 15 Jahren eine untergeordnete Rolle.

Aktita Inu
Staatsanwaltschaft Köln 1997
Verwarnung wegen fahrlässiger Körperverletzung, Bestimmung einer Geldstrafe in Höhe von DM 600,–
Hund an der langen Leine und „nicht beaufsichtigt“ fällt ein Kind an; Bisse in Kopf-, Nacken- und Schulterbereich.
Erhebliche Fleischverletzungen an Kopf und Nacken.
(Weiterer Vorfall, der nicht angezeigt wurde: Verletzungen im Kopfbereich eines anderen Kindes)
Mangelnde Aufsicht und Verantwortung, mangelhaftes Wissen zum Hundeverhalten: ca. 26 % der jährlich begutachteten Fälle in den letzen 15 Jahren

Rottweiler
Landgericht Schwerin 1996
der, bis auf kurze Ausläufe, die ihm nicht einmal täglich zugestanden werden, in einem Drahtkäfig eingesperrt lebt, der nicht einmal einige normale Schrittfolgen erlaubt, vielmehr nur Drehbewegungen um die eigene Achse sowie kurze Gliedmaßenverschiebungen nach rechts, links, vorne und hinten, verletzt einen Mann lebensgefährlich, als die Käfigtür versehentlich offen bleibt und sein Halter sich mit dem Opfer prügelt. Beide stehen unter Alkoholeinfluss.
Der Hund wird in das Tierheim Dorf Mecklenburg abgegeben und letztendlich getötet.
Die Mischlingshunde ‚Lucas‘ und ‚Jerry‘ werden vor dem Angriff eines Menschen auf eigenem Territorium durch eine lange Lederleine an ihren Halsbändern über einen längeren Zeitraum aneinandergebunden gehalten (siehe Ordnungsverfügung vom 7.11.1997).
Körperverletzungen, die mit extrem tierschutzwidriger Haltung in Zusammenhang stehen: ca. 20% der jährlich begutachteten Fälle in den letzen 10 Jahren.

Dobermann
Amtsgericht Syke,1998
der an der kurzen Leine mit Besitzer und dessen Sohn geht, greift eine Frau an, die den kleinen Jungen mit ausgestreckten Armen laut begrüßen will. Das Verhalten der Klägerin geht über das, was als „Restgefahr“ in jeder Interaktion mit einem Hund oder in bezug auf einen Hund liegt, hinaus und hätte von ihr vermieden werden können. Das Verhalten ist vom Hund zu decodieren wie ein plötzlicher Angriff des Kindes. Zu Hund bestand kein Vertrauensverhältnis.
Körperverletzungen von Kindern durch Hunde mit ähnlicher Vorgeschichte und ähnlichem situativen Kontext:
ca. 15% der jährlich begutachteten Fälle in den letzten 5 Jahren.

Deutscher Schäferhund
Amtsgericht Ahlen, 1997
beisst unmittelbar nach einem Tierheimaufenthalt ein Kind. Es hat weder eine Beratung der neuen Besitzer stattgefunden (mit dem dringend notwendigen Hinweis, Hund und Kind nicht alleine zu lassen!), noch sind die Besitzer gefragt worden (sind Kenntnisse sowie Möglichkeiten zur Haltung eines großen Hundes vorhanden u.a.?) .
Schwere Körperverletzungen, die eine entsprechende Vorgeschichte wie einen vergleichbaren situativen Kontext aufweisen: 10% der Gutachten in den letzten 10 Jahren

Zwei Kangals
Landgericht Lünen 1998
die ein Gelände bewachen sollen, sind nach einem Training mit Elektrostimulation (6 Wochen Aufenthalt in einer Hundeausbildungsstätte) ängstlich und bissig geworden, verletzen den Sohn des Besitzers auf eigenem Gebiet; sie wenden sich aus der Defensive gegen jedermann und können deshalb nur noch einzeln im Zwinger gehalten werden.
Unfälle, die eine ähnliche Vorgeschichte nach „harter Ausbildung“ in Abwesenheit der Besitzer aufweisen: ca. 9% der begutachteten Fälle in den letzen drei Jahren

Rottweiler
attackiert Besucher (Abbiss eines Fingers), als ihn dieser als soziale Maßregelung über den Fang fasst, reaktiv auf das Anknurren des Hundes. Besitzer sind nicht im Raum.
Vernachlässigung der Aufsichtspflicht (Besitzer) sowie inadäquate Behandlung eines fremden Hundes durch das Opfer auf hundlichem Territorium. Gutachten über Körperverletzungsdelikte ähnlicher Genese: ca. 8% in den letzten 10 Jahren

Deutscher Schäferhund
Staatsanwaltschaft Frankfurt 1998
Verwarnung wegen fahrlässiger Körperverletzung, Bestimmung einer Geldstrafe von DM 1200,–
Beim Entgegenstrecken der Ausweispapiere fasst der angeleinte Diensthund mehrmals hintereinander zu, zerreisst eine Lederjacke und verletzt den Mann.
Körperverletzungen, die auf Ausbildungsfehler zurückzuführen sind : ca. 7% der begutachteten Fälle in den letzten 10 Jahren.

Jagdhund, Rasse Deutsch-Drahthaar
Landgericht Stade, 1998)
tötet eine Katze nahe dem Grundstück ihres Halters, Kinder und etliche Erwachsene Personen sind zugegen. Das Töten dauert lange (ca. 10-15 Minuten). Freispruch 1 2. Instanz.
Ähnliche Tiertötungen durch Jagdhunde, die eindeutige Tierschutzrelevanz aufweisen: ca. 3% der Gutachten jährlich in den letzen 15 Jahren

American Staffordshire Terrier
Landgericht Frankfurt/ Main 1997
tötet eine Frau, die zufällig die Tür zur Wohnung des Halters passiert, durch sie seine Lebensgefährtin nach einem Streit gerade geflohen war. Der American Staffordshire war bereits einmal auffällig geworden (Beissvorfall) und unterlag dem Leinenzwang. Der Besitzer wurde wegen fahrlässiger Tötung zu 1 1/2 Jahren Haft verurteilt (2. Instanz).
Der Hund war mit großer Wahrscheinlichkeit auf Menschentötung abgerichtet worden, was jedoch nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen war. Halter und Hund leben im „Milieu“.

Ähnliche Fälle (Verletzung, keine Tötung): 2-3% der Gutachten pro Jahr in den letzten fünf Jahren. Junge Männer, sportlich, die imponieren wollen. „Halbstarken-Image“ bzw. „Szene-Hunde“.

Rassezugehörigkeit und daraus resultierende „Gefährlichkeit“
Verhaltensbiologisch ist die „gefährliche Rasse“ nicht zu benennen, es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori, also ohne Berücksichtigung der feindifferenzierten Verzahnung von genetisch bedingten Handlungsbereitschaften und den obligatorischen Lernvorgängen, eine gesteigerte „Gefährlichkeit“ zuzuschreiben.
Rassenkataloge, die „Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit“ auflisten, sind irreführend, weil der Objektivität entbehrend, sie fördern darüber hinaus einen Hundemissbrauch, indem sie bestimmte Rassen für eine bestimmte Klientel erst attraktiv machen. Rasseaufzählungen erschweren die Hundehaltung zudem ungemein, da Nachbarschaftsverleumdungen die Gerichte ganz unnötig beschäftigen und schliesslich, gesteigert von Beschimpfungen von Passanten, den betreffenden Hundehaltern psychisch derart zusetzen, dass diese ihre Hunde ins Tierheim abgeben – ein für die meisten Tierheime zunehmendes wie zunehmend schwer oder unlösbares Problem. Die betreffenden Hundeindividuen nehmen Schaden (es gibt Tiere die 5-7 mal ihren Halter wechseln oder von vornherein nicht vermittelbar sind), werden jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit zu Problemhunden, die schwer einschätzbar und gefährlich reagieren. Die Bezeichnung „Kampfhund“ sollte sicht mehr benutzt werden, da sie reisserisch ist und die falschen Gruppen „bedient“.
Es sei betont, dass natürlich nicht alle Hunderassen gleich sind in ihrer Verhaltenssteuerung, auch werden sie nicht als Tabula Rasa geboren, ihr Verhaltensinventar wie z.B. bestimmte Reaktionsnormen können sehr unterschiedlich und durchaus rassekennzeichnend sein, sind also durchaus genetische determiniert, entwickeln sich jedoch in ständiger, feindifferenzierter Wechselwirkung mit allen Reizen des hundlichen Umfeldes. Und so kommt es zu höchst unterschiedlichen Verhaltensausprägungen bei Tieren einer Rasse. Dies gilt gerade für das Aggressionsverhalten.
Bei biologisch ausgerichteter Zucht und ebensolcher Aufzucht, Ausbildung und Haltung, müssen auch Rassen mit einer relativ jungen Kampfhundevergangenheit keineswegs gefährlicher sein als andere große und kräftige Hunde, können vielmehr ausgeglichen und berechenbar im Verhalten sein. So eignen sich etwa American Staffordshire Terrier gut zur Arbeit als Trümmersuchhunde. Sie gehören zu Menschen mit vertieften Kenntnissen zum hundlichen Verhalten und Erfahrungen mit Hunden eben dieser Rassezugehörigkeit.
Die Werbung für Bull-Rassen mit Wellensittich auf dem Kopf und den Babies auf dem Rücken sollten fehlen, denn Hunde dieser Rassezugehörigkeit müssen keine Ersthunde für Familien mit Kindern im Krabbelalter sein. Dies gilt ebenso für andere große Rassen, die bei uns zunehmend modern werden, fatalerweise bei gerade völlig ahnungslosen Hundehaltern, die Hunde schlicht nach ihrem Exterieur aussuchen.

Zusammenfassende Überlegung und Ausblick
Vergleichende Untersuchungen unter definierten Umweltbedingungen wie zum Entstehen sozialer Beziehungen an über 20 Hunderassen (darunter auch American Staffordshire Terrier, der Bullterrier, Fila Brasileiro und andere auf den Pauschallisten geführte Rassen sowie Jagdhunde- und Schutzhundrassen) entbehren der Daten für eine generell höher anzusetzende Gefährlichkeit der Haltung einer bestimmten Rasse.
Es gibt keine „gefährlichen Hunderassen”, es gibt gefährliche Hundeindividuen. Der Begriff „gefährlicher Hund“ ist unabhängig von der Rassezugehörigkeit zu benennen, vielmehr rasseneutral für Individuen über bestimmte Merkmale zu bestimmen (der Situation nicht angemessenes Aggressionsverhalten, Angriffe und ungehemmtes Beissen (ohne Beisshemmung) von Sozialpartnern (Artgenosse, Mensch und anderen Tierarten).
Hund und Mensch bilden stets ein „Beziehungsgespann“: Jede Hundezucht wie Hundeentwicklung, jedes Hundeverhalten wird vom Menschen entscheidend beeinflusst, der überwiegend ursächlich verantwortlich ist für gestörte Beziehungen zum Tier. Es sind die Züchter (Massenzuchten!) und Besitzer bzw. das gesamte soziale Umfeld, das Hunde gefährlich werden lässt.
Analysen der Genesen von schweren Beissvorfällen weisen auf soziologische Probleme, das Bedürfnis von Menschen über den Mißbrauch von Hunden zu imponieren, Angst einzuflössen und ihr Ego aufzuwerten. Die „Aggressionszüchtungen“, in der Regel Kreuzungen (sogenannte „Hinterhof-Züchtungen“), sind als Symptom gesellschaftlicher Probleme zu werten. Das neue Tierschutzgesetz verbietet Aggressionssteigerungen, züchterisch wie über entsprechende Konditionierung. Die entsprechenden Paragraphen müssen nur zur Anwendung kommen.
Hilfreich wäre eine Kennzeichnungs- und Registrierpflicht für alle Hunde, nicht allein diejenigen, die unter dem Patronat VDH gezüchtet werden. Es muss verhindert werden, dass ein Jeder, also auch ein Mensch ohne Fachkenntnis und Verantwortung, sowie einer, der nur am Hund verdienen will, züchten darf. Also sollte ein Heimtierzuchtgesetz erlassen werden, die hierfür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen sind zu schaffen. Auch eine Hundehalter VO sollte endlich erlassen werden. Wir müssen, entfernt von emotionalen „Lösungsansätzen im Schnellverfahren”, zu objektiven Fakten, zu einer objektiven Darstellung der Gefährdung durch Hunde und deren Ursachengefüge finden.
Der Schlüssel liegt im Verständnis der Entwicklung des schrecklichen Geschehens. Auffällig ist u.a., dass Hunde, die Menschen schwer verletzen, bereits zwei oder gar dreimal auffällig geworden waren, was aber weit zu wenig beachtet und geahndet worden war.
Eine weit konsequentere Ausschöpfung vorhandener Gesetze hätte etliche Wiederholungsvorfälle verhindert – so die Tötung der Frau in Frankfurt und würde überwiegend ausreichen (gemeinsam mit den bereits aufgeführten Vorschlägen), Probleme mit Menschen und ihren Hunden weit besser in den Griff zu bekommen.
Jeder Entwicklung zum „gefährlichen Hund“ liegt eine individuelle soziale Konstellation zugrunde. Innerhalb dieser kann grob kategorisiert werden. Konditionierungen von Hunden, die vorsichtig einem bestimmten Typus zuzuschreiben sind, liegen in der Förderung oder Umleitung oder Extinktion eines bestimmten erlernten Verhaltens.
Hunde, die sich durch gezielte Zuchtwahl auf „übersteigerte Aggressivität“ auszeichnen, sind in bestimmten Fällen nicht mehr therapierbar. Es sind Hunde, deren Aufmerksamkeit beim Erscheinen von Artgenossen gar nicht mehr zu gewinnen ist, die nur noch durch das Kämpfen zu motivieren sind. Oder solche, die schlicht nicht einzuschätzen sind, immer wieder ohne Vorwarnung und biologisch nachvollziehbarem Grund angreifen.

2. Biologie der Aggression
Eine einheitliche Definition für Aggression liegt nicht vor. Der Begriff subsumiert viele verschiedene Verhaltensweisen, die ein Individuum direkt oder indirekt, körperlich oder seelisch schädigen. Es kommt vom lateinischen „aggredi“ (an etwas herangehen) – bezieht sich biologisch betrachtet auf den Erhalt von Handlungsfreiräumen bei Tieren, die in geschlossenen, individualisierten, hierarchisch strukturierten Gruppen leben, wie für Caniden typisch.
„Aggredi“ bedeutet: hier komme ich, mach Platz (wo sich ein Körper befindet kann kein anderer sein), und bezieht sich sehr oft auf die Darstellung und – falls nötig – Verteidigung eines sozialen Status. Die Abgrenzung „innerer Antrieb“ oder „äusserer Reiz“ ist mässig. Es sei kurz auf zwei extreme Positionen eingegangen, die heute nurmehr wissenschaftshistorischen Wert haben, dennoch im Fall der „endogenen Produktion aggressiver Energien“ immer wieder beispielhaft zur Rechtfertigung von „Aggressionsdressuren“ bemüht werden:
Konrad Lorenz nimmt eine Extremposition in Richtung auf den Pol „innerer Antrieb“ ein. Vereinfacht dargestellt geht er von der Existenz eines Aggressionstriebes aus, der spontan Energie und Verhaltensneigungen für Aggression erzeugt. Nach dieser Theorie wird das tatsächliche aggressive Verhalten allerdings auch erst nach Auftreten eines geeigneten artspezifischen Reizes durch den AAM geäussert, doch ist die Bedeutung dieses Auslösers in gewisser Weise zweitrangig. Je nach der Stärke der endogenen (durch den Instinkt) erzeugten Aggressionsenergie (umso stärker, je länger die letzte Auslösung des aggressiven Verhaltens durch einen Auslösereiz zurückliegt), kann der auslösende Reiz unspezifischer werden. Bei extrem aufgestauter Aggressionsenergie reicht nach Lorenz nahezu jeder Reiz aus, um Aggressionsverhalten auszulösen. Im Extrem kann aggressives Verhalten sogar ohne jegliche äussere Provokation auftreten.
Die theoretische Gegenposition wird von den Reiz/Reaktions/Theoretikern eingenommen (insbesondere in der Tradition der Lerntheorien und des Behaviorismus nach WATSON und SKINNER), welche die Determinanten benachbarter Verhaltensweisen vorwiegend in der externen Reizung des Organismus suchen, der nach ihrer Überzeugung die weitaus größere Bedeutung bei der Verhaltenssteuerung zukommt.
Der Streit um die Verhaltensdeterminanten in bezug auf inneren Antrieb oder äussere Reizung war mehr als ein akademisches Problem oder Haarspalterei: Die Folgerung für die Verhaltensvorhersage und insbesondere die Modifikation oder Manipulation aggressiven Verhaltens sehen höchst unterschiedlich aus. Kann nach Lorenz das durch innere Antriebe verursachtes Verhalten spontan erfolgen, wenn im Organismus eine entsprechend starke Verhaltensbereitschaft vorliegt, weil das aktuelle Verhalten dann durch die äusseren Reize nur ausgelöst zu werden braucht, muss nach den Reiz-Reaktions-Modellen auch die Verhaltensbereitschaft durch Umweltreize erst erzeugt werden. Lorenz postulierte, da ständig neue aggressive Energie durch auslösende Reize für ein relativ harmloses aggressives Verhalten, um eine Eskalation zu verhindern – nach Ansicht der Reiz-Reaktions-Theoretiker war dies eine völlig falsche Strategie, da durch die Häufung von Auslösereizen erst recht eine aggressive Verhaltensbereitschaft erzeugt würde. Dieser Lerneffekt konnte bereits in den 60er Jahren durch Scott und Fuller (1965 bestätigt werden.
Heute wissen wir, das Aggression viel ursächlicher ist, vererbt wird jeweils nur eine Reaktionsnorm, gleichsam ein Angebot an die Umwelt.
Ergo: Innerhalb dieser Norm entscheiden dann die verschiedenen Umwelteinflüsse, in welcher Weise die vom Erbmaterial ausgehenden Informationen im Einzelfall verwirklicht werden. Es besteht eine ständige Wechselwirkung von Umwelt und Erbgut. Rituale der Konfliktlösung werden dabei gerade in der Zeit der sensiblen Phase (3.-12. Woche) der Jugendentwicklung gelernt – die Voraussetzung für dieses soziale Lernen sind für eine normale Welpen- und Junghundeentwicklung obligatorisch.

Theorie des Droh- und Kampfverhaltens heute
Das einfachste Mittel einen Konflikt zu lösen, wäre der Kampf mit dem Konkurrenten. Unter Artgenossen sind auch bei Haushunden Kommentkämpfe (Kämpfe mit Turniercharakter, die nicht beschädigen) vorherrschend. So treten keine Verletzungen auf. In der klassischen Ethologie wurde die Seltenheit von Beschädigungskämpfen gruppenselektionistisch im Sinne eines Arterhaltungsprinzipes gedeutet. Die eigentliche Verletzung oder Tötung eines
Artgenossen wurde als Unfall oder krankhafte Abweichung gesehen. Heute wird die Evolution von Kampfverhalten und das Vorherrschen von Kommentkämpfen allein unter Annahme einer Individualselektion erklärt:

Gruppenselektionistische Erklärung der Evolution von Kommentkämpfen
Man denke sich als Gruppen, in denen alle Mitglieder Kommentkämpfer sind, die dann mit solchen konkurrieren, in den Beschädigungsbeissen vorherrscht.
Es ist plausibel, dass sich die Kommentkämpfer durchsetzen werden. Diese Überlegungen jedoch vernachlässigen das Auftreten von Mutationen. Maynard Smith et al. (1974) betonen, dass immer dann, wenn in einer Population, in der alle Mitglieder eine der Verhaltensstrategien zeigen (z.B. Kommentkämpfer sind) und die jeweils andere Strategie als Mutante auftritt (z.B. Beschädigungskämpfer), sich diese Mutante schnell durchsetzt. Es entsteht eine Mischpopulation, bei den Mutanten kommen in einem bestimmten Häufigkeitsverhältnis vor, eine evolutionsstabile Strategie entsteht.

Quintessenz dieser spieltheoretischen Überlegungen ist
Jedes Individuum ist auf eine bestimmte Kampfstrategie festgelegt, und diese wird sich über den Kampferfolg in der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit niederschlagen, so daß die erfolgreichere Strategie in der nächsten Generation von mehr Individuen gezeigt wird als in dieser Generation.

Die Kontrahenten haben während einer Auseinandersetzung stets die Möglichkeit, daß es zur Eskalation kommt. Und in diesem Punkt müssen sie sich entscheiden, abhängig von 3 Faktoren:
A) von dem Nutzen den die Ressource für sie hat
B) von den Gewinnchancen
C) von den möglichen Kosten, etwa durch Energieverbrauch und Verletzungen.

In dieser Kosten/Nutzen-Analyse müssen die Gewinnchancen wie möglichen Kosten auf einer Einschätzung des Gegners basieren. Da die meisten Auseinandersetzungen mit Drohsignalen beginnen und oft auch nur durch Drohungen entschieden werden, muss die Gegnereinschätzung zunächst auf seinen Drohsignalen beruhen. Sie können Anzeiger seiner Kampfkraft als auch seiner Kampf- bzw. Eskalationsbereitschaft sein. Dieses gilt explizit für Hunde. Basiswissen ihrer Verhaltensbiologie ist eine Voraussetzung, um Aussagen über ihre „Gefährlichkeit“ machen zu können.
Inwieweit ist nun zu erwarten, dass die Motivation oder die Bereitschaft zu kämpfen aufgrund der Drohsignale eingeschätzt werden kann? Der „Zermürbungskrieg“ oder das „Durchhaltevermögen“ wird von Wölfen wie Hunden im Zuge von Rivalitäten ständig praktiziert. Dabei besteht die Möglichkeit, dass zwei Rivalen die gleiche Kampfkraft besitzen und ausschliesslich Drohsignale zeigen. Eskaliert der Konflikt nicht, können die Tiere immer nur weiter drohen und die Entscheidung darüber, wer das Streitobjekt erhält, fällt dadurch, dass einer der beiden schlicht aufgibt. Wer länger durchhält, gewinnt also. Eines der Ergebnisse dieses Modells besagt, dass es nachteilig ist, dem Gegner die eigene Durchhaltebereitschaft anzuzeigen, weil so eigene Chancen verringert werden.
Der Rivale kann dann seine eigene Durchhaltebereitschaft steigern und den Kampf gewinnen. Demnach hätte die Evolution zu Drohsignalen führen müssen, die in ihrer Form konstant, also von typischer Intensität sind und dem Empfänger keine Informationen über das weitere Vorgehen des Senders geben. Dennoch sind gerade die Drohsignale bei Wölfen sehr ausgeprägt differenziert.
Starke Konflikte eskalieren, indem sie durch Beißen ausgetragen werden (Ernstkämpfe).
Diese werden häufig den Kommentkämpfen gegenübergestellt. Tatsächlich scheint es keinen sprunghaften Wechsel vom Komment- zum Ernstkampf zu geben, sondern eine abgestufte Steigerung der Auseinandersetzung. Es resultiert als ein „War of nerves“, bei dem auch Verletzungen auftreten können, die zum sofortigen Rückzug des verletzten Tieres führen. Und bei wiederholten Begegnungen mit individuellem Wiedererkennen kann das ehrliche Signalisieren der Intention dem Bluffen mit Drohsignalen stereotyper Intensität überlegen sein. Deshalb gibt es bei Wölfen und Haushunden sowohl graduierte Signale, als auch eine stereotype Mimik mit schnellem Zubeissen, je nachdem, wie es die Situation erfordert.
Dennoch, es klafft immer noch eine Große Lücke zwischen den oft sehr simplen Modellen zum Aggressionsverhalten und der weitaus komplexeren Realität. Wölfe wie Haushunde müssen ja mit der Schwierigkeit leben, in Gruppen zu kooperieren, in denen jedes Tier gleichzeitig seinen Ressourcenzugang erreichen muss. Individuen, die auf ein kooperatives Zusammenleben mit den anderen Gruppenmitgliedern angewiesen sind, werden also immer wieder auch zu Konkurrenten. Diese Problematik besteht auch zwischen Hunden und Menschen, die ja unverzichtbarer Sozialpartner wurden. Zum auffälligsten Verhalten von Wölfen und Hunden gehört zweifelsohne das Droh- und Kampfverhalten, die Kompetition (Streit), die zusammen mit der Kooperation, dem Zusammenarbeiten der Tiere,
Voraussetzung für die Etablierung wie Aufrechterhaltung einer sozialen Hierarchie ist.
Früher wurde der Wolf als typisches Beispiel dafür beschrieben, dass Tiere mit besonders gefährlichen Waffen über besonders wirksame Hemmechanismen zur Verhinderung ernster Verletzungen verfügen. Konrad Lorenz mißdeutete das von Fischel gezeichnete Halsdarbieten eines Hundes als Demutsgeste und schrieb ihm beisshemmende Wirkung zu, die den Abbruch des Kampfes bedingt und zur Sicherung des Arterhalts beiträgt. Dieses ist sicherlich falsch.
Halsdarbieten als Unterwerfungsgeste gibt es nicht bei Hunden, wohl aber die „aktive“ und „passive“ Demut, die durch Lecken der Mundwinkel bzw. Einnehmen der Rückenlage den Aggressor beschwichtigt. Das Halsdarbieten entsteht, wenn der überlegene Hund betont wegsieht, ist also ein Imponierausdruck.
Beschädigungskämpfe und auch Tötungen von Artgenossen bei Wölfen kommen regelmässig vor. Dennoch handelt es sich um relativ seltene Ereignisse und die meisten Kämpfe bei Wölfen haben einen ritualisierten Charakter. Viel häufiger als durch kämpferisches Kräftemessen entscheiden Wölfe ihre Konflikte allein durch Kommunikation. Diese aggressive Kommunikation hat bei den meisten Haushunden abgenommen. Zusammenhänge mit reduziertem Ausdrucksverhalten aufgrund eines Exterieurs, welches Signalen jeglichen Ausdruckswert genommen hat, da sie schlicht nicht mehr sichtbar sind (durch Bewollung, Faltenbildung, starke Belefzung u.a.) sowie Auswirkungen züchterischer Manipulation des Aggressionsverhaltens sind wohl ursächlich wirksam. Bei Hunden vom „Pitbull-Terrier- Typus“ eskalieren Konflikte u.U. deshalb schneller, weil die Kooperationsbereitschaft Artgenossen gegenüber aufgrund früherer Selektion auf Angriff und Kampf herabgesetzt sein kann, was zudem eine Kommunikation bezüglich der aggressiven Motivation oder Intention unterdrückte, weshalb „überraschender“ zugebissen wird. Unsere Untersuchungen an
American Staffordshire Terrier, Bullterriern und „Pit Bulls“ (es handelte sich um Kreuzungen) ergaben jedoch für die Rassen große Unterschiede innerhalb der untersuchten Würfe und belegten die große Bedeutung des sozialen wie unbelebten Umfeldes, somit der Aufzucht- und Haltungsbedingungen für das Verhalten der Tiere in Konkurrenzsituationen, während die heute auf Angriffsbereitschaft und Kampf selektierten Kreuzungstiere als verhaltensgestört zu bezeichnen waren, bedingt durch genetische Defekte wie eine extrem hundewidrige Aufzucht (frühe Isolierung, Konditionierung bereits der Welpen auf Kampfverhalten). Diese verhaltensgestörten Hunde konnten einmalig analysiert werden, sie wurden im „Milieu“ gezüchtet und konditioniert – und stellen ein soziologisches Problem dar. Andere Hunde der Rassen vom „Pitbull-Terrier-Typus“ zeigten zwar weniger langandauernde aggressive Kommunikation, waren jedoch keineswegs gefährlicher bei guter Sozialisation an Menschen und Artgenossen.
Wölfe ( und – mit Abstrichen – Haushunde) verfügen somit über zwei Verhaltenscharakteristika, die seit ca. zwanzig Jahren heftig diskutiert werden: Sie kämpfen meist gehemmt, die Kämpfe eskalieren selten zum Beschädigungskampf.
Sie zeigen intensitätsabgestufte Drohsignale (anstatt nur ein Drohsignal stereotyper Intensität einzusetzen)
Wie werden diese Strategien bei der Regulation konkreter Konflikte wirksam?
Die Sozialstruktur der Wölfe (und in weit größerem Ausmaß diejenige der Hunde) weist eine erhebliche Variabilität auf: Wölfe leben allein oder zu zweit, zumeist in Gruppen von 5-8 Mitgliedern, mit mehr als zwei adulten Tieren. Ein Rudel kann bis 36 Tiere umfassen. Rudel stellen m.o.w ausgedehnte Familienverbände dar, eine soziogenetische Einheit.
Die Kooperation bezieht sich auf die Aufzucht von Jungtieren durch heranwachsende oder bereits geschlechtsreife Jungtiere. Auch die Jagd erfordert eine Zusammenarbeit, die bei Wölfen sehr differenziert und durch subtile Aufgabenverteilungen gekennzeichnet sein kann. In beiden Bereichen sind die Partner gleichzeitig auch Konkurrenten, denn überwiegend zieht nur ein Weibchen erfolgreich Junge auf und um Nahrung wird ebenfalls konkurriert.
Bei Nahrungsmangel und in der Fortpflanzungszeit kommt es zu einem Anstieg der Häufigkeit von Droh- und Kampfverhalten. Dann wird asymetrisches Verhalten zwischen jeweils zwei Tieren die Regel: Zwischen ihnen besteht eine Dominanz-Subdominanz- Beziehung. Alle Beziehungen der Tiere untereinander ergeben in ihrer Gesamtheit eine Rangordnung . Ranghohe Tiere können in Situationen der Nahrungsknappheit zuerst und am meisten fressen und zumeist pflanzen sich nur ranghöchstes Männchen und Weibchen fort. Rangniedere Rudeltiere werden von den Alpha Tieren an der Fortpflanzung gehindert. Rangniedere Weibchen zeigen i.d.R. einen normalen Östruszyklus mit Ovulation, so daß die ausbleibende Reproduktion durch eine Hinderung an der Kopulation erfolgt.
Es gibt bei Wölfen unterschiedliche Strategien der Unterdrückung des Sozialverhaltens gleichgeschlechtlicher Rudelmitglieder für beide Geschlechter:
Männchen intervenieren in der Fortpflanzungszeit bei allen sexuellen Interaktionen zwischen Alpha-Weibchen und anderen Männchen und trennen diese; das Verhalten des Alpha Weibchens dagegen hat eher den Charakter „unprovozierter Feindseligkeit“. Das Alpha-Weibchen zeigt allen Weibchen gegenüber, sowohl in der Fortpflanzungszeit als auch davor und danach, dominantes Ausdrucksverhalten, das weitgehend von sexuellen Interaktionen unabhängig ist und „unterdrückt“ ihre Konkurrentinnen so. Es wird jedoch bei beiden Geschlechtern meist rein ritualisiert gekämpft, selten beschädigend.
Gewinner und Sieger stehen von vornherein fest: die Alpha Tiere setzen sich immer durch. Allerdings können Dominanzbeziehungen auch in Frage gestellt werden und bei Auseinandersetzungen um die höchste Rangposition, und damit um die Möglichkeit zur Fortpflanzung resultieren regelmäßig Beschädigungskämpfe.
Im Rahmen von Konkurrenz (auch im Zusammenhang mit Nahrungskonkurrenz) setzen Wölfe also Drohungen ein, und sie kämpfen, gelegentlich auch ungehemmt mit der Folge schwerwiegender (tödlicher ) Verletzungen. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch bei Hunden, die einen hohen sozialen Status innerhalb einer Gruppe, so der Familie, innehaben. Von etlichen Menschen wird diese gefährliche Problematik gar nicht oder doch viel zu spät registriert.
In jedem Konflikt stehen die Tiere dabei vor dem Problem, dass sie zur Durchsetzung ihrer Interessen, ihre Opponenten sowohl als Kontrahenten als auch Partner betrachten müssen. Natürlich ist nicht gemeint, dass Wölfe und Hunde über Kosten-Nutzen-Bilanzen reflektieren, vielmehr ist ihre Verhaltenssteuerung auf diese Ambivalenz ausgerichtet.
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
Wie wirkt sich diese Ambivalenz von Konkurrenz und Kooperation auf das Droh- und Kampfverhalten aus? Wie ist der Zusammenhang zwischen Droh- und Kampfverhalten und Dominanz? Welche Funktion hat Drohen in ritualisierten Kämpfen, wenn sie zwischen Tieren mit etablierten Dominanzbeziehungen stattfinden und kein aktueller Ressourcenzugang resultiert?

Entwicklung des Droh- und Kampfverhaltens bei Wölfen und Haushunden
Erfahrungen haben für das Verhalten eines Tieres in einer Auseinandersetzung große Bedeutung. So müssen Welpen die Bedeutung der Signale, gerade die der Aggressiven Kommunikation erst lernen. Durch die Konsequenz der Missachtung empfangener Drohsignale aber auch durch die auf eigenes Beissen folgende Reaktion eines Geschwisters in Form von Zurückbeissens und Drohen wird wohl die Funktion von Drohgesichtern immer genauer gespeichert.
Hier gibt es nicht nur selten ein Manko in der Hundezucht: Individuen bestimmter Rassezugehörigkeit, z. B. Bullterrier, werden „isoliert zusammen“ gehalten, in kleinen Drahtkäfigen, und dieses über vier bis acht Stunden nach eigenen Beobachtungen. Sie werden auch als Welpen viel zu früh abgesperrt, voneinander und der Mutterhündin getrennt, wenn sich Auseinandersetzungen anzubahnen beginnen.
So ist nicht erstaunlich, wenn derart restriktiv aufgewachsene und in kleinen „Transportkäfigen“, die allein den Sichtkontakt zum Gruppenmitglied erlauben und jegliche Interaktion verhindern, gehaltene Individuen einer Rasse, der nach einigen Landesverordnungen „Kampfhundeeigenschaften“ zugesprochen wird, ihrem Ruf gerecht werden. Allerdings sind es hier, wie in aller Mehrzahl der Fälle, tierschutzrelevante Haltungsbedingungen, die der ausgeprägten Unverträglichkeit der Hunde untereinander ursächlich zugrunde liegen. Soziales Lernen wird so gar nicht ermöglicht.
Im sozialen Bereich kommt den Sozialspielen eine Bedeutung zu, deren großer Umfang erst im letzten Jahrzehnt erkannt wurde:
Sie bezieht sich auf den Prozess der Sozialisation, auf die Entwicklung und Verbesserung sozialer Kommunikaton, auf die Kontrolle der eigenen Aggression, auf die Entwicklung sozialer Bindungen und das Einüben „sozialer Rollen“ in den sehr fein strukturierten sozialen Organisationsformen der Wölfe und Hunde. Sozialspiele gibt es bei Adulten, um Aggressionen umzulenken. Obligatorisch sind Spielsignale, die metakommunikativ ankündigen:“what follows is play“ (Bekoff, 1984)
Besonders bei sozial lebenden Tieren ist es bedeutsam, eine Vorinformation über die voraussichtliche Verhaltensweise eines anderen zu haben. Intentionen (Stimmungsbewegungen, die die Verhaltensabsicht kommunizieren, sozio-kommunikative Signale) Diese Signale fehlen bei etlichen Hunden, weil ihr Einsatz schlicht nicht gelernt werden konnte. Ihr Fehlen vergrößert das Risiko einer Eskalation der Auseinandersetzung zwischen Hunden ganz beträchtlich.

Entwicklung von Dominanzbeziehungen
Dominanz ist eine Eigenschaft von Beziehungen und nicht von Individuen, ein Fakt, der immer wieder fehlinterpretiert wird. Auch die Bestimmungkriterien und Definition von Dominanz sind umstritten.

Dominanz wird unterschieden nach:
1. der Häufigkeit von Angriffen in einer Gruppe
2. der Häufigkeitsverteilung von aktiver und passiver Unterwerfung, also von Signalen der Unterwürfigkeit
3. dem Gewinn einer Futterressource oder anderen Ressourcen,
4. dem Ausdruckverhalten

Punkt 1
erweist sich für Wölfe und Hunde als untauglich, da in bestimmten sozialen Situationen die subdominanten Tiere häufiger die dominanten Tiere angreifen als umgekehrt.

Punkt 2
betrachtet nur das Verhalten der subdominanten Tiere und erlaubt damit auch nur begrenzte Aussagen.

Punkt 3 + 4
führen zu einem Zirkelschluss: Wenn die Funktion der Dominanz im bevorzugten Ressourcenzugang gesehen wird, kann dieser nicht selbst zum Bestimmungskriterium werden. Wenn also das Tier, das den Knochen gewinnt, als dominant bezeichnet wird, so kann die Antwort auf die Frage auf welche Weise dieser Gewinn erreicht wird, nicht mehr „Dominanz“ lauten. Ähnliches gilt dann für das Ausdrucksverhalten, wenn eine Aussage über den Zusammenhang von Dominanz und den Einsatz von Signalen in der Kommunikation angestrebt wird.

Dominanz bedeutet, dass in einer Zweierbeziehung A regelmässig die Freiheit von B einschränkt bzw. sich selbst ein hohes Mass an Freiheit zugesteht, ohne dass B effektiv etwas dagegen tut, sondern B akzeptiert seine Einschränkungen.
Dominanz bezeichnet also eine Regelhaftigkeit in einer dyadischen Beziehung. Sie ist dann gegeben, wenn A bestimmte Verhaltensweisen gegenüber B häufiger zeigt, als zufällig zu erwarten wäre. Dabei handelt es sich um Verhaltensweisen, die die Verhaltensmöglichkeiten, insbesondere die Bewegungsfreiheit, von B einschränken. A reagiert dabei auf das Verhalten von B, ohne durch dessen Verhalten eingeschränkt zu werden. B duldet die Einschränkung ohne deutliche oder effektive Gegenwehr. Tatsächlich ist Dominanz wesentlich vom Verhalten B’s abhängig, da dessen Reaktion die Effektivität der Verhaltensweisen von A bestimmt. Dominanz ist andererseits die von B akzeptierte Verhaltensfreiheit von A, z.B. die Freiheit, B’s Individualdistanz zu missachten oder diesen zu verprügeln etc.

Als Kennzeichen für Dominanz gelten alle Häufigkeiten von Verhaltensereignissen, denen Hund A Hund B einschränkt oder A sich frei gegen B verhält.

Folgende Verhaltensweisen werden als dominantes Verhalten zusammengefasst: Wegverstellen, „Blickfixieren“ oder „Festhalten“, Bewegungskontrolle,

Quelle: www.maulkorbzwang.de

Was sind gefährliche Hunde?

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