Gene machen Hunde zu Menschenkennern
Die gemeinsame Geschichte von Mensch und Hund dauert nun schon mindestens 15.000 Jahre. Als unsere Vorfahren damals begannen, die ersten Wölfe zu zähmen, legten sie den Grundstein für eine ganz besondere Beziehung. Doch was machte die Tiere im Laufe ihrer Entwicklung zu so perfekten Begleitern? Ein Blick ins Hundegenom offenbart, in welchen Genen das menschenbezogene Sozialverhalten der Vierbeiner angelegt worden sein könnte.
Der Hund ist nicht nur seit Jahrtausenden der sprichwörtlich beste Freund des Menschen – er hat sich auch wie kaum ein anderes Tier auf uns eingestellt. Im Laufe seiner Domestizierung hat der Vierbeiner einzigartige soziale Fähigkeiten entwickelt, die ihn im Gegensatz zu seinem Verwandten, dem Wolf, zu einem echten Menschenversteher machen. So erkennen Hunde den emotionalen Gehalt unserer Äußerungen, verstehen unser Lächeln als Ausdruck guter Stimmung und können sogar unsere Blicke deuten. Wie eng die Bindung zwischen Menschen und ihren treuen Begleitern ist, zeigt sich auch daran, welche Folgen der Blickkontakt zwischen beiden hat: Das gegenseitige Anschauen sorgt für eine Freisetzung des „Kuschelhormons“ Oxytocin – bei Mensch und Hund. Doch welche genetischen Veränderungen haben auf dem Weg vom Wolf zum heutigen Haushund die Grundlage für dieses so sehr an den Menschen angepasste Verhalten gelegt?
Wissenschaftler um Mia Persson von der Linköping University in Schweden sind dieser Frage nun nachgegangen – und haben dafür 190 Beagles vor ein unlösbares Problem gestellt. Für die Untersuchung testeten die Forscher, wie sehr die alle unter denselben standardisierten Bedingungen aufgezogenen und gehaltenen Vierbeiner dazu neigen, mit dem Menschen zu interagieren: Die Hunde mussten im Experiment die Deckel von jeweils drei Behältern beiseiteschieben, um an ein Leckerli heranzukommen. Doch einer der Behälter war so verschlossen, dass das nicht gelingen konnte. „Anders als Wölfe wenden sich Hunde in solchen schwierigen Situationen häufig hilfesuchend an den Menschen und stellen zum Beispiel Blickkontakt her“, schreiben Persson und ihre Kollegen. Tatsächlich suchten im Versuch nicht alle, aber die meisten Beagles angesichts der unlösbaren Aufgabe früher oder später den Kontakt zu einer Person in der Nähe. Mithilfe einer sogenannten genomweiten Assoziationsstudie fahndeten die Wissenschaftler anschließend im Erbgut der Hunde nach genetischen Variationen, die den bei den einzelnen Tieren unterschiedlich stark ausgeprägten Hang zur Kommunikation mit dem Menschen erklären könnten.
Fünf Gene als Kandidaten
Im Laufe der Analysen identifizierten die Forscher zwei Regionen im Hundegenom, die womöglich mit Verhaltensweisen wie der Suche nach Herrchens oder Frauchens Nähe oder dem Bedürfnis nach menschlicher Aufmerksamkeit assoziiert werden können. So standen bestimmte Varianten in den zwei Genen SEZ6L und ARVCF auf Chromosom 26 in einem Zusammenhang damit, wie viel Zeit ein Tier im Experiment in engem Kontakt mit dem Menschen verbracht hatte. Auch drei Gene in einer anderen Genomregion konnten mit ähnlichem Verhalten in Verbindung gebracht werden. Besonders interessant: Vier dieser fünf auffälligen Gene werden beim Menschen mit der Entwicklung von Störungen des Sozialverhaltens in Zusammenhang gebracht – bestimmte Veränderungen von SEZ6L zum Beispiel mit Autismus. „Auch aus diesem Grund sind diese Gene starke Kandidaten für Stellschrauben, die bei Hunden menschenbezogenes Verhalten steuern“, glaubt das Team.
Erstmals, so betonen Persson und ihre Kollegen, seien damit nun potenzielle Gene identifiziert worden, die den Hund im Laufe seiner Domestizierung zum Menschenkenner werden ließen. Starker Selektionsdruck hat demnach während dieses jahrtausendelangen Prozesses jene genetischen Veränderungen bevorzugt, die die Tiere besonders sozial kompatibel machten. „Unsere Ergebnisse gewähren uns tiefere Einblicke in diese Grundlage der besonderen Beziehung zwischen Mensch und Hund“, schließen die Forscher. Künftig wollen sie weiter untersuchen, wie genau die Gene das Sozialverhalten unserer treuesten Begleiter beeinflussen. Sie erhoffen sich davon auch, die komplexe Evolutions- und Domestizierungsgeschichte des Haushundes in Zukunft noch besser zu verstehen.
Quellen: wissenschaft.de – Daniela Albat