Forschung zu Mensch und Hund: „Liebt mein Hund mich wirklich?“
Die Messe „Hund und Katze“ wird wieder zahlreiche Tierliebhaber nach Dortmund locken. Viele von ihnen sehen in ihrem Hund den besten Freund. Dabei sind zwei Dortmunder Soziologen sicher: Ganz häufig wird das Verhalten des Hundes falsch interpretiert. Aus diesem Anlass führte Conny Crumbach vom WDR ein interessantes Interview mit Nicole Burzan.
Nicole Burzan ist Professorin am Institut für Soziologie an der TU Dortmund. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Ronald Hitzler plant sie eine Studie zu dem Thema „Mensch und Hund“, bei der verschiedene Aspekte des Zusammenlebens zwischen Mensch und Hund untersucht werden sollen. Ein Schwerpunkt von Burzans Arbeit ist die „Soziale Ungleichheit“, die sie auch im Bezug auf Hunde erforschen möchten.
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WDR.de: Wenn es um Hunde geht, gibt es meistens zwei Fraktionen: Hundeliebhaber und Hundehasser. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Nicole Burzan: Das lässt sich oft biografisch erklären. Da geht es vor allem darum, welche Erfahrungen man in seinem Leben schon mit Hunden gemacht hat. Wenn man schon als Kind Angst vor Hunden hatte und später auch nie näheren Kontakt zu Hunden hatte, dann ist man als Jogger eher von Hunden betroffen, als dass man sich freut, sie zu sehen. Die Wahrscheinlichkeit zum Hundehasser zu werden, ist dann sicher größer.
WDR.de: Zusammen mit ihrem Kollegen Ronald Hitzler planen Sie gerade an der TU Dortmund das Forschungsprojekt „Hund und Mensch“. Sie sind der Meinung, in der Soziologie wird zu wenig zur Bedeutung der Hunde geforscht. Welche Bereiche möchten Sie erforschen?
Nicole Burzan: Inhaltlich geht es uns vor allem darum, was ein bestimmter Hund für einen Menschen bedeutet und welche Auswirkungen der Hund auf das Leben oder die Sozialkontakte seines Besitzers hat. Uns interessiert auch, welche Eigenschaften und Rollen dem Hund eigentlich zugeschrieben werden – das geht ja vom Statussymbol bis zur Kampfmaschine – und was in das Verhalten der Hunde hineingedeutet wird.
WDR.de: Dabei stellen Sie auch infrage, ob Hunde ihre Herrchen wirklich zurücklieben.
Nicole Burzan: Die Liebe des Hundes zum Menschen wird oft sehr überhöht dargestellt – zum Beispiel in Filmen. Wir wissen aber nicht, was der Hund denkt, sondern deuten bestimmte Signale des Hundes. Er wedelt mit dem Schwanz interpretieren wir als: Er freut sich, wenn er mich sieht. Und wir denken nicht: Er freut sich, weil er mich mit dem Futter sieht. Und das ist ein Punkt, an dem wir als Soziologen genauer hinschauen. Wir untersuchen zum Beispiel, wie verschiedene Menschen die Signale ihres Hundes deuten und ob es da einen Konsens gibt.
Ob der Hund den Menschen zurückliebt, können wir soziologisch nicht beantworten. Aber was die Menschen in den Hund hineindeuten, das können wir durch Gespräche herausfinden. Die Deutungen gehen ja heute so weit, dass manche Hundebesitzer meinen zu wissen, ob ihr Hund lieber Fleisch frisst oder vegetarisch ernährt werden möchte.
WDR.de: In Ihrem Projekt wird die These „Der Hund ist der beste Freund des Menschen“ zu „Der Mensch ist der beste Freund des Hundes“. Was steckt dahinter?
Nicole Burzan: Dahinter steckt wieder eine Deutung des Menschen, der den Hund zu seinem Freund erklärt hat. Es war aber der Mensch, der den Hund so gezüchtet und domestiziert hat, dass der Hund jetzt auf den Menschen angewiesen ist. Diese Beziehung als Freundschaft zu bezeichnen, ist reine Interpretation.
WDR.de: Sie haben eben gesagt, dass Hunde das Leben ihrer Besitzer verändern. Was beobachten Sie da genau?
Nicole Burzan: Wir schauen uns an, welchen Einfluss der Hund auf den Alltag des Besitzers und seine Umgebung hat. Wenn der Hundehalter zum Beispiel denkt, länger als drei Stunden kann mein Hund nicht alleine sein, hat das natürlich massive Auswirkungen – und die betreffen auch das soziale Umfeld des Hundehalters. Er kann nicht mehr so lange weggehen, wie er will oder sich nicht mehr spontan verabreden. Wir untersuchen, in welcher Form der Hund das eigene Handeln beeinflusst und welchen Einfluss Hundehaltung auf das soziale Zusammenleben hat.
WDR.de: Welchen Nutzen kann man aus dieser Forschung ziehen?
Nicole Burzan: Es gibt ein paar Millionen Hunde in Deutschland. Das ist ein relevanter Faktor, weil es sehr viele Menschen betrifft. Auch Menschen, die keinen Hund haben, werden regelmäßig mit Hunden konfrontiert. Die Soziologie ist eben auch eine beschreibende Wissenschaft. Und genau darum geht es: Ein Phänomen genauer zu beschreiben, was viele betrifft und daraus dann Schlüsse zu ziehen, die sich vielleicht verallgemeinern lassen. Was man auch nicht vergessen darf: Hunde sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – das macht sie außerdem als Forschungsobjekte interessant.
WDR.de: Gibt es Hundeliebe, die zu viel des Guten ist?
Nicole Burzan: Haustiere sind nicht nur Kommunikationsressource. Wenn Hunde zum Beispiel zum Partnerersatz werden – wenn jemand lange alleine ist, oder ein Partner stirbt – dann kann das auch den Kontakt zu anderen Menschen unterbinden, weil man sich nur auf den Hund fixiert.
Quelle: wdr.de (Interview führte Conny Crumbach)