Ausbildung und Lebensweg eines Blindenführhundes
Lebensweg eines Blindenhundes
Jedes Jahr verlassen eine Anzahl Hunde ihre sogenannte Blindenführhundeschule nach einer fundierten Ausbildung zum Blindenführhund. Die Schulung der Hunde beginnt kurz nach ihrer Geburt. Sie sollen Menschen mit einer Sehbehinderung zu einem selbständigen Leben verhelfen.
Die in der Regeln in Familien aufwachsenden Zuchthunde kommen nur zum Decken resp. Werfen in die Blindenführhundeschule. Die Weibchen haben maximal 4 Würfe à 6 bis 8 Welpen. Mit 6 Jahren gehen sie dann in den wohlverdienten Ruhestand. Nach dem Werfen bleibt die Zuchthündin 9 Wochen bei ihren Jungen. Dies ist eine bedeutende Entwicklungsphase für die Welpen.
Im Bezug auf Hygiene, Gesundheitsvorsorge und Entwicklung tun Blindenführhundeschulen alles, damit die Kleinen unter besten Voraussetzungen aufwachsen und optimal gefördert werden. Vier Stunden pro Tag kümmern sich freiwillige Helfer um die frühzeitige Sozialisierung. Die Welpen lernen dabei, sich unter Menschen wohlzufühlen. Zu Beginn erhalten sie Streicheleinheiten und kleine Massagen, dann wird mit den Hunden in einem Raum voller Spielzeug gespielt, damit sich ihre Sinne entwickeln können. Später gewöhnt man sie an das Tragen von Halsband und Leine.
Im Alter von 7 Wochen erfolgt eine Wesensbeurteilung der Welpen, aufgrund derer dann die Patenfamilien ausgewählt werden, bei der der Hund eine Art Kindergartenzeit verbringen wird. Während 15 Monaten wird der Hund in der Familie erzogen und mit der städtischen Umgebung vertraut gemacht, d.h. an Verkehrslärm, Baustellen, andere Leute und Tiere gewöhnt.
Strenges Auswahlverfahren
Mit 18 Monaten verlassen die meisten Hunde ihre Patenfamilien und kehren für eine erneute Beurteilung in die Blindenführhundeschulen zurück. Aufgrund ihres Stammbaums, ihres Charakters, ihres Gesundheitszustands und ihrer Vorfahren werden einige als Führhunde und andere als Zuchthunde ausgewählt. Die Selektion ist sehr streng; rund 50 % fallen aus Gesundheits-, Verhaltens- oder Wesensgründen durch den Test. Diese werden dann als Familienhunde platziert, denn das Fehlen der erforderlichen Blindenhundeeigenschaften macht sie keineswegs zu Problemhunden.
Das Beste aus dem Hund herausholen
Während der gesamten 8 bis 10 Monate dauernden Ausbildung werden die Labradore und Golden Retriever vom gleichen Ausbildner betreut. Ihre Ausbildung erfolgt in realen Situationen, d.h. in der Stadt und im Führgeschirr. Jeder Hund hat sein eigenes Temperament und lernt unterschiedlich. Man muss immer wieder hinterfragen und herausfinden, wie man respektvoll das Beste aus einem Hund herausholt. Ziel ist es, dass er sehr freundlich und umgänglich ist, seine Arbeit liebt und sich zurückhält.
Um seinem Halter echte Autonomie zu bieten, darf sich der Hund nicht auf das Auswendiglernen typischer Strecken beschränken. Denn sein Meister muss sich in jeder Situation auf ihn verlassen können: in der Stadt, auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Reisen und Spazieren, bei Freizeitaktivitäten, ja selbst an Orten, zu denen Hunde in der Regel keinen Zutritt haben wie Schwimmbäder, Spitäler, Museen und Kirchen.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung werden die Hunde den Sehbehinderten übergeben. Jede Situation wird sorgfältig analysiert, damit sich die optimalen Partner finden können. Die Hundehalter können sowohl Studenten als auch ältere Leute sein, Personen, die viel reisen oder auch nicht. Der Hund muss in der Lage sein, sich dem Rhythmus seines Meisters anzupassen, damit dieser möglichst unabhängig ist. Die Nachfrage nach Führhunden nimmt stetig zu, und die Wartezeiten betragen inzwischen 6 bis 10 Monate.
Wohlverdienter Ruhestand
Nach 8 bis 10 Jahren treuen Dienstes sind die Hunde zwar noch fit, haben sich aber auch stark verausgabt und sind nicht mehr in der Lage, einen intensiven Rhythmus aufrecht zu erhalten. Deshalb liegt eine Trennung in ihrem eigenen Interesse und dient zudem der Sicherheit ihres Halters.“ Dies ist ein schwieriger Moment, denn oft hat man während 10 Jahren in vollständiger Symbiose mit dem Tier gelebt. Den Moment der Trennung erleben viele, als würden sie ein zweites Mal ihr Augenlicht verlieren.
Meist werden die Hunde von Leuten übernommen, die ihnen einen schönen Lebensabend bieten können. Oft sind dies Freunde oder Verwandte oder auch die Patenfamilie, in der der Hund aufgewachsen ist. Wichtig zu wissen: Nachdem die Hunde rund um die Uhr mit ihrem früheren Halter zusammen waren, brauchen sie nachher ständige Gesellschaft.
Quelle: Schweizer Blinden- und Sehbehindertenverband SBV