Auch Hunde haben ein „Ich“
Schnupper-Variante des Spiegeltests zeigt Selbsterkennung bei Hunden – Schnuppern statt sehen: Auch Hunde können sich selbst in einem Bewusstseins-Test erkennen – wenn der Test stimmt. Beim bekannten Spiegeltest scheiterten die Tiere bislang, doch eine Schnupper-Variante des Tests bestehen sie sofort, wie ein Evolutionsbiologe nun herausgefunden hat. Auf die bevorzugten Sinnesorgane abgestimmte Tests könnten auch bei anderen Tierarten überraschende Ergebnisse liefern, meint der Forscher.
Schnuppernd durch den Bewusstseinstest: Hunde verlassen sich auf ihre Nase.
Ein unterwürfiges Winseln und ein reuiger Hundeblick nach einem Fehltritt, oder freudiges Bellen und stolzes Schwanzwedeln nach einer Belohnung – Hundebesitzer ahnen schon lange, dass ihre tierischen Begleiter ein Gewissen haben und sich ihrer selbst und ihrer Handlungen bewusst sind. Wissenschaftlich belegen ließ sich das jedoch bislang nicht: Den ultimativen Test zur Selbsterkennung haben Hunde bisher nicht bestanden.
Hunde scheitern im Spiegeltest
Ob auch Tiere ein eigenes Bewusstsein haben und sich selbst als „Ich“ erkennen, überprüfen Forscher bislang mit dem bekannten Spiegeltest: Dem Tier wird unter Betäubung oder während einer Ablenkung ein farbiger, aber geruchloser Punkt auf eine Stelle des Körpers gemalt. Dieser Punkt befindet sich an einer Stelle, die nur im Spiegel sichtbar ist, also etwa der Stirn. Erkennt das Tier sich anschließend im Spiegel selbst und berührt den Punkt am eigenen Körper, gilt das als Zeichen, dass es sich seiner selbst bewusst ist: Es unterscheidet zwischen „sich selbst“ und „den anderen“.
Bestanden haben den Spiegeltest außer dem Menschen nur wenige Tiere: Alle Menschenaffen, ein einzelner Indischer Elefant, einige Delfine und Elstern gehören dazu. Rhesusaffen können den Test erlernen, wenn sie ein wenig Hilfe erhalten. Andere Affen, aber auch Große Pandas, Seelöwen und verschiedene Vögel scheitern dagegen. Hunde und Wölfe schnuppern in der Regel bloß ein wenig am Spiegel herum und widmen sich dann anderen Dingen. Trotz ihrer komplexen kognitiven Leistungen scheinen sie demnach kein „Ich“-Bewusstsein zu haben.
Hunde verlassen sich auf die Nase
Doch das liegt nicht am fehlenden Bewusstsein der Hunde, sondern an der Natur des Tests, vermutet der Entwicklungsbiologe Roberto Cazzolla Gatti von der Staatlichen Universität Tomsk in Russland. Hunde achten nämlich viel weniger auf sichtbare Dinge als etwa Menschen und Primaten. Sie verlassen sich eher auf ihre Nase anstelle ihrer Augen.
Gatti entwickelte darum eine Geruchs-Variante des Spiegeltests: Für einen „Schnuppertest zur Selbsterkennung“ sammelte er Urinproben von halbwilden Hunden und bewahrte sie in beschrifteten Behältern auf, so dass sie sich dem jeweiligen Hund zuordnen ließen. Über einen Zeitraum von einem Jahr wiederholte er dann zu unterschiedlichen Jahreszeiten folgenden Test: Die Hunde kamen in einen Käfig, in dem sich die eigene Urinprobe, Proben von anderen Hunden und ein geruchsloser Kontrollbehälter befanden.
Veränderte Perspektive beim Bewusstseinstest
Es stellte sich heraus, dass die Hunde den Urinproben ihrer Artgenossen deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkten als ihrer eigenen: An fremden Proben schnupperten sie wesentlich länger herum. Gatti wertet dies als Zeichen, dass sie ihren eigenen Geruch und damit auch sich selbst erkennen. Außerdem erkannte der Forscher einen Zusammenhang mit dem Alter der Hunde: Jüngere Tiere schnupperten etwas länger an der eigenen Probe als ältere, bei ihnen ist das Selbstbewusstsein nach Ansicht von Gatti demnach noch nicht so stark ausgeprägt. Dies deckt sich mit ähnlichen Beobachtungen bei heranwachsenden Schimpansen und auch bei Menschen.
Der neue Ansatz, um die Selbsterkennung bei Tieren zu testen, entspricht einer veränderten Perspektive, meint Gatti: Statt zu viel Wert auf das menschliche Verständnis von Bewusstsein zu legen, müssten wir spezifischer auf die jeweilige Tierart eingehen. Schließlich erwarte auch niemand, dass ein Maulwurf oder eine Fledermaus den Spiegeltest bestehen könne, so der Forscher. Entsprechend angepasste Tests, die statt mit visuellen Signalen auch mit chemischen oder akustischen Reizen arbeiten, könnten jedoch überraschende Ergebnisse liefern.
Quelle: Ethology Ecology & Evolution, 2015; doi: 10.1080/03949370.2015.1102777 National Research Tomsk State University, 09.12.2015 – AKR www.scinexx.de