Beißgrade von Bissverletzungen
Differenzierung und Analyse der Beißgrade bei Hund/Mensch & Hund/Hund
Es gibt ein Standardsystem, bei dem man „Beißer“ nach der Stärke ihrer Beißkraft in verschiedene Grade einteilt. Das System differenziert zwischen zwei Gruppen und unterscheidet zwischen Bissverletzungen beim Menschen und Bissverletzungen bei Hunden. In jedem System gibt es sechs unterschiedliche Grade. Jeder Grad wird mit den dazugehörigen Verhaltensweisen kurz beschrieben und dem äquivalenten menschlichen Verhalten gegenübergestellt. Ich habe das ursprüngliche System leicht abgeändert.
Beißgrade von Bissverletzungen beim MENSCHEN:
Grad 1:
Knurren, Zähne zeigen, Bellen, Fixieren, Schnappen, kein Beißkontakt.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Streiten, Drohen.)
Grad 2:
Einzelner leichter Biss, kein Blut, Hund speichelt.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Stoßen/ Schubsen.)
Grad 3:
Einzelner Biss mit 1 bis 4 Verletzungen, die höchstens halb so tief gehen wie ein Hundezahn lang ist.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: körperlicher Angriff, Schlag.)
Grad 4:
Einzelner Biss mit 1 bis 4 Verletzungen, die tiefer gehen als ein halber Hundezahn, Beuteschütteln, bei sehr festen Bissen gibt es innerhalb von zwei Tagen einen blauen Fleck.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit Körperverletzung.)
Grad 5:
Mehrere Bisse, die tiefer gehen als die Hälfte der Länge des Hundezahns, Beuteschütteln, schwere Verletzungen.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit schwerer Körperverletzung.)
Grad 6
Todesfall.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit schwerer Körperverletzung und Todesfolge.)
Analyse des Verhaltens der Beißgrade beim Biss eines MENSCHEN:
Hunde der Kategorie 1 bis 3 verfügen über ein gewisses Maß an Beißhemmung, weshalb es vergleichsweise einfach sein kann, mit ihnen zu arbeiten. Solange ein Hund nicht zugebissen hat, können Sie nicht wissen, ob er eine Beißhemmung hat oder nicht. Vielleicht hatte er bislang nur noch keinen Grund, zuzubeißen. Das heißt deswegen aber noch nicht, dass er gegebenenfalls nicht fest zubeißen würde. Sie wissen es einfach noch nicht. Sie sollten sich in einem solchen Fall die Geschichte des Hundes genau anschauen. Wenn er vor der achten Lebenswoche von seinen Wurfgeschwistern getrennt wurde, hatte er vielleicht nicht ausreichend lange Kontakt mit den Geschwistern und Elterntieren, um die für die Entwicklung der Beißhemmung notwendigen Verhaltenselemente zu lernen. Wenn ein Welpe in den ersten Lebenswochen und -monaten keine Gelegenheit hatte, auch am Menschen auszuprobieren, wie er seinen Fang einsetzen darf und wie nicht, dann wissen wir schlicht nicht, ob er ein hartes oder weiches Maul hat. Er hatte schlichtweg keine Gelegenheit, die Beißhemmung am Menschen ausreichend zu erlernen. Vielleicht hat er von Natur aus ein eher weiches oder eher hartes Maul. Wir werden es erst erfahren, wenn er provoziert wird und schließlich zubeißt. Wenn die Besitzer dem Hund im Welpenalter auf zu feste Bisse kein entsprechendes Feedback gaben, zum Beispiel weil es Ihnen peinlich war oder weil Sie nicht wussten, wie sie reagieren sollten, dann kann der Hund nicht wissen, dass Menschen eine viel dünnere und empfindlichere Haut haben.
Hunden mit Beißgrad 4 fehlt die Beißhemmung, sie sind daher gefährlich und die Arbeit mit ihnen ist oft schwierig. Man sollte bei ihnen zuerst am Aufbau der Beißhemmung arbeiten, bevor man mit Übungen gegen die Aggressivität beginnt.
Hunde mit Beißgrad 5 und 6 sind extrem gefährlich. Viele Trainer und Verhaltenstherapeuten weigern sich mit diesen Hunden zu arbeiten, weil ihnen das Risiko zu hoch ist. Wenn ein Hund ein Familienmitglied schwer verletzte oder gar tötete, wird empfohlen, den Hund einzuschläfern. Man glaubt, das psychologische Trauma, das die Familie erlitt, kann nicht überwunden werden, solange sie täglich mit dem Hund konfrontiert ist. Außerdem sind auch die Chancen auf einen Trainingserfolg für den Hund sehr schlecht. Sie werden festgestellt haben, dass bei Grad 5 und 6 Beuteschütteln zu den Symptomen zählen kann. Ein Hund, der während des Beißens anfängt, sein Opfer zu schütteln, zeigt meistens Elemente des Jagdverhaltens. Bestimmte Rassen wie zum Beispiel der Pitbull Terrier wurden darauf gezüchtet, sich festzubeißen, nicht mehr loszulassen und das Opfer zu schütteln. Dieses Verhalten ist das Ergebnis einer bestimmten Zuchtauswahl und entspricht nicht dem normalen Verhalten. Es gibt übrigens keine Beweise dafür, dass Pitbull Terrier beim Beißen eine Art „Kiefersperre“ haben. Das ist ein Mythos. Sie wurden darauf gezüchtet, nach dem Beißen möglichst nicht mehr loszulassen, und das hat zum Mythos von der Kiefersperre geführt. Das Problem wird durch jene Besitzer, die ihren Hund Gewichte tragen lassen, um seine Kraft und Ausdauer zu trainieren, noch verschärft. Zu den Bissformen, die in den Kategorien 5 und 6 ebenfalls vorkommen, gehören auch mehrere tiefe Bisse und solche, die zu schweren Verletzungen oder zum Tod des Opfers führen.
Bedenken Sie bitte auch, dass die Beißgrade in Relation zu Rasse, Körpergröße, Gewicht usw. gesehen werden müssen. Ein Pitbull Terrier mit Beißgrad 4 ist etwas ganz anderes als ein Zwergpudel mit Beißgrad 4.
Analyse des Verhaltens der Beißgrade beim Biss eines HUNDES:
Grad 1:
Knurren oder Schnappen, kein Beißkontakt.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Streiten, Drohen.)
Grad 2:
Einzelner leichter Biss, Kratzer/ blauer Fleck.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Stoßen/ Schubsen.)
Grad 3:
Einzelner Biss, Biss in den Rücken, Kopf oder Hals, 1 bis 4 Bissverletzungen, die höchstens halb so tief gehen wie die Länge eines Hundezahns.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: körperlicher Angriff, Schlag.)
Grad 4:
Mehrfacher oder einzelner Biss mit Verletzungen, die tiefer gehen als die Länge eines halben Hundezahns oder Bisse in Füße, Beine oder den Bauch.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit Körperverletzung.)
Grad 5:
Mehrfache Bisse, (schwere) Verletzungen.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit schwerer Körperverletzung.)
Grad 6:
Todesfall.
(Entsprechendes menschliches Verhalten: Angriff mit schwerer Körperverletzung und Todesfolge.)
Analyse des Verhaltens der Beißgrade beim Biss eines anderen HUNDES:
Hunde der Kategorie 1 bis 3 zeigen ein gewisses Maß an Beißhemmung.
Hunde mit Beißgrad 4 beißen entweder mehrfach oder in Tabuzonen wie den Bauch oder die Beine. Sie zeigen mangelnde Beißhemmung und können sehr gefährlich sein. Wenn ein Wildkanide einen anderen töten will, was sehr selten und eigentlich abnormal ist, dann bricht er seinem Gegner oft zuerst die Beine. Wenn dieser dann humpelt und sich nicht mehr zur Wehr setzen kann, geht er zur Tötung über. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass Hunde sich so ungern an den Pfoten berühren lassen. Ein Kanide kann recht kräftige Bisse in den Nacken oder Kopf erhalten, ohne wirkliche Verletzungen davonzutragen, Verletzungen an den Pfoten oder am Bauch können aber schnell lebensgefährlich sein.
Einen anderen Kaniden in diese Körperteile zu beißen ist daher gegen die ungeschriebenen Verhaltensregeln der Kaniden. Wenn ein Hund das dennoch tut, dann weist das auf eine ernsthafte Störung der Verhaltenshemmung (ähnlich wie Vergewaltigungen beim Menschen) und eine mögliche Geisteskrankheit hin.
Ein Hund, der andere Hunde schwer verletzt oder tötet, hat keinerlei Verhaltenshemmung und ist sehr gefährlich.
Natürlich ist die Sache nicht ganz so einfach. Es kann zu einem Phänomen kommen, das als „Auslösen des Beuteschemas“ bezeichnet wird. Hierbei kann es zu Zwischenfällen kommen, obwohl die Begegnung zunächst vollkommen normal ablief oder bei denen zwei Hunde aneinander geraten, die normalerweise über eine gute Beißhemmung verfügen. Meistens passiert das bei Begegnungen zwischen einem großen und einem deutlich kleineren Hund. Dabei haben die beiden Hunde normalen Kontakt miteinander, bis beim großen Hund plötzlich durch das Verhalten des kleinen Hundes das Beuteschema ausgelöst wird und er entsprechend reagiert. Dabei kann es zu schweren Verletzungen oder sogar zur Tötung des kleineren Hundes kommen. Wie bereits erwähnt kann es zu diesem Verhalten auch dann kommen, wenn der große Hund normalerweise eine sehr gute Beißhemmung hat und noch nicht einmal aggressiv gestimmt war.
Wenn es sich bei dem Problem, um eine Kombination von einem großen und einem deutlich kleineren Hund handelt, dann sollte man das Auslösen des Beuteschemas als mögliche Ursache in Betracht ziehen, damit bei dem Hund, von dem der Angriff ausging, keine falsche Diagnose gestellt wird.